Nachdem ich heute Morgen auf Twitter einen Tweet gelesen habe, bin ich in's grübeln gekommen. Die Nachricht an sich war eher unspektakulär: Wildes Mädchen heiratet Schwedischen Prinzen. Und unter 'wild' versteht die Presse: Nacktbilder mit einer sich um den enthüllten Körper wickelnden Schlange und: eine absolvierte Ausbildung als Yogalehrerin. Jetzt sollte sie doch gefälligst ihre Vergangenheit bereuen, da es sich nicht schickt als Prinzessin eine persönliche, teils ausschweifende Entwicklung durchlebt zu haben. Alles klar. Von wegen.
Die Frage, die sich mir des öfteren stellt lautet: "Ist Yogalehrer sein die neue Rebellion?" oder "Landen irgendwann alle, die mehr oder weniger erfolglos in ihrem Leben rumdümpeln beim Yoga?", "Ist Yoga der neue Punk?"..."oder ein Auffangbecken für gescheiterte Existenzen?".
Endstation Yogalehrerin.
So viele werden Yogalehrer/in, die vorher ua. in den Medien gearbeitet haben. Und irgendwie schwingt trotzdem immer noch ein Gefühl des 'belächelt' werdens mit, wenn man Menschen begegnet, die keine besonders hohe Meinung von dem Beruf an sich haben, einerseits aus einem Klischee-geprägten Unwissen ,andererseits aus dem schlechten Gewissen heraus, weil sie ganz genau spüren dass Tag ein Tag aus im Büro sitzen auf Dauer ungesund ist. Selbst meine eigene Mutter hat mich vor einigen Jahren noch gefragt: "Und wann studierst Du noch mal was Richtiges?" Worauf ich nur erstaunt die Augenbrauen hoch gezogen habe und mir dachte, dass ja das was ich tue für mich was "Richtiges" war und: immer noch ist.
Vom Spinner bis zur Esotante: ALLE machen Yoga und das ist gut so
Yoga als Hoffnungsschimmer auf dem Selbstfindungstrip scheint (eigentlich ja schon seit den Hippiezeiten in den 60ern) wieder oder immer noch hip zu sein. Manche begeistern sich für's Yoga rein aus gesundheitlichen/sportlichen Gründen, manche steigen in die tiefere Materie der Spiritualität ein und, wenn's gut geht, integrieren das was sie dort finden in ihren Alltag und wenn es schlecht läuft verirren sich wieder Andere für ein paar Jahre oder ihr ganzes Leben in esoterischen Konzepten, die mit dem rasanten Grossstadtleben moralisch einfach nicht kompatibel sind.
Manche üben Yoga nur für sich und suchen einen heilsamen Weg aus dem Stressgeladenen Alltag. Andere sind so begeistert, dass sie ihre Begeisterung mit anderen teilen wollen und Yogalehrer werden. Wieder andere sind eigentlich Schauspieler und stehen auf die heisse Yogashow, die sich wunderbar verkaufen lässt: der Lehrer im Mittelpunkt, alle kleben an seinen Lippen und sind ganz geflasht von seinem Auftritt. Der selbsterkorene Meister, der alles besser weiss und niemanden mehr auf Augenhöhe sieht. Der Guru in seiner besten Rolle.
Im Yoga trifft man oft derartige Selbstinszenierungen, die aber meiner Meinung nach, eher einen geringeren Stellenwert haben. Es geht nicht um den Lehrer oder die Lehrerin, sondern um das was diese rüberbringen will. Wer also überlegt Yogalehrer aus Leidenschaft zu werden, sollte sich bewusst machen ob sie sich selbst so weit zurück nehmen kann, ohne zu verblassen, sondern als "Messenger" vor einer Gruppe von Menschen auftreten kann: klar, direkt, ehrlich in dem was sie rüber bringen möchte.
No money. No problem?
Ich werde des öfteren gefragt - liegt ja auch nahe, wenn so viele zum Yogalehrer 'konvertieren' muss ja auch Kohle drin stecken: Kann man vom Unterrichten leben? Wenn man Vollzeit unterrichtet und keine Kinder hat oder Ausbildungen und Retreats gibt, ist das vielleicht möglich. Gerade am Anfang braucht es Zeit sich zu etablieren oder man muss Glück und Connections haben, um an die richtigen Privatschüler zu geraten.
Viele träumen von einer eigenen Yogaschule, um all ihre verbrannten Jünger zu bekehren, ganz selbstlos und uneigennützig, versteht sich. Dann kommt der Burn Out, es läuft nicht wie erhofft und die bittere Wahrheit stellt sich ein: Yoga ist ein Business wie jedes Andere. Der Traum von der hellen, sattvischen, Prinzipiengeprägten Welt ist geplatzt.
Für mich ist Yoga keine Endstation. Vielleicht eher eine Station von vielen, die man in seinem Leben erreicht und sich von dort aus weiter entwickelt. Mit 12 Jahren bin ich das erste Mal mit Yoga in Berührung gekommen und jetzt nach 10 Jahren konstanter Praxis und 7 Jahren Erfahrung als Lehrerin bin ich froh dass ich dran geblieben bin. Mit der Erfahrung ist das Interesse gewachsen: anstatt dass ich an einem Punkt, an dem ich dachte dass mich das Ganze nicht mehr 'kickt', bin ich dran geblieben und habe mein Yoga aus einer anderen Perspektive kennen gelernt und wieder neu lieben gelernt.
Für all diejenigen, die glauben Yoga unterrichten wäre pillepalle, sprich so einfach dass man es nicht Ernst nehmen sollte, sei folgendes gesagt:
Es fordert Chuzpe, Konzentration und fachliches Wissen 60-90 Minuten durchgehend zu sprechen, zu beobachten und den DJ zu machen. Das sind 90 Minuten pure Aufmerksamkeit! Eine Leistung, die sonst heutzutage kaum noch einer schafft, weil es bedeutet 1,5 Stunden NICHT auf 's Handy zu schauen und NICHT für andere erreichbar zu sein.
Deswegen freue mich, dass eine neue Generation an Yogagirls und Yogaboys heranwächst, die genau das mitbringt: Bock auf JETZT sein.